Wir haben an diesem Abend jeden einzelnen Schritt der Beschäftigung mit dem menschlichen Kopf noch einmal im Zusammenhang angeschaut. Dabei sollte festgestellt werden, dass in diesem Vorgehen das Modell für alle künftigen Auseinandersetzungen mit allen übrigen Objekten der Welt, die den Zeichnenden interessieren, gesehen werden kann:
- Warmups, die sich mit der Linie und der eigenen Verfassung beschäftigen
- Skribbels, die summarisch mit wenigen Hilfslinien nur ungefähr erfassen wollen, was man sieht, dabei aber auf möglichst unverkrampfte Weise allmählich den Blick auf die Tücken des Objekts lenken, mit der entspannten Gewissheit, dass nichts stimmen muss.
- Skribbels über Mutmassungen, Annahmen über Zusammenhänge und Maßpunkte.
- Blindzeichnung, die Einzelheiten der Form erschließen hilft, die Form dabei aber gerne aus den Augen verliert - was gut und schlecht zugleich ist.
Es zeigt sich, dass in der Realität alle Formen oft sehr viel komplexer sind, als man zunächst annimmt. Das Genauhinschauzeichnen räumt pöapö mit all diesen Vereinfachungen auf, nebenbei füllt sich das Erinnerungsreservoire über die Erscheinung der Dinge.
- Analytisches und konstrierendes Zeichnen parallel zur Beobachtung der Anatomie. Hier sind Vereinfachungen zunächst nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten, da gar nicht anders möglich.
Am Ende jedoch sollten sich alle Herangehensweisen und Beobachtungen zu einem Bild verdichten.
Mir ist es wichtig, hier noch einmal zu betonen, dass ich euch mit den konstruierten und analytischen Zeichnungen einen von vielen möglichen Wegen aufzeige, die dabei helfen sollen, den Blick organisiert auf etwas zu lenken, das sich in Wahrheit - etwa zeichnend vor einem lebenden Menschen - völlig anders darstellen wird. D.h. ihr erhaltet mit den Modellvorstellungen eine Blickhilfe, die euch in der Realität den ständigen "Regelbruch" oder die spezifische Variante beobachtbar machen hilft.
Demo an der Tafel:
Ihr habt eine Zeichnung auf einer langen Papierrolle in der Art eines Leporello angefangen, die euch Schritt für Schritt noch einmal vor Augen führen soll, wie man als Zeichnender exemplarisch an etwas so Komplexes wie den menschlichen Kopf herangehen kann.
- Warmups, die sich mit der Linie und der eigenen Verfassung beschäftigen.
- Skribbels, die summarisch mit wenigen Hilfslinien nur ungefähr erfassen sollen, was man sieht, dabei aber auf möglichst unverkrampfte Weise allmählich den Blick auf die Tücken des Objekts lenken, mit der entspannten Gewissheit, dass nichts stimmen muss.
Bei dieser Zeichnung wurde locker geskribbelt über einen am eigenen Gesicht abgenommenen Abstand von Kinn und Nasenansatz, dreimal übereinander plus ein Wenig, die Verdichtungen der Augenplätze auch aus dem gleichen Abstand und möglichst keine Einzelheit definiert!
Bei dieser Zeichnung wurde zwar aus Demogründen nicht locker gekribbelt, sondern auf einem Raster aus Hilfe- und Konstruktionslinien gleich das Beziehungsgeflecht der Elemente des Gesichts erklärt.
Aber es ist auf jeden Fall nützlich, dieses Beziehungsraster auch locker öfter mal nur zu skribbeln, um die Zusammenhänge durchzuspielen. Versucht auch dabei, eure Gewohnheiten zu brechen, indem ihr mal zuerst vom Kinn und Mund aus, dann Stirn und Ohren und zum Schluss erst Augen und Nase zeichnet. Viele beginnen immer zuerst mit den Augen und tappen dabei von vornherein in sämtliche Fallen des symbolischen Zeichnens... bei dem die Augen oft riesig werden und alle Proportionen aus dem Leim gehen...
Dieses Raster kann auch in reduzierter Form hilfreich sein, den Zusammenhang von grossen Formen und den Einzelheiten zu erkennen. Es empfiehlt sich also, alle Zwischenstufen der gezeigten Markierungen einmal locker durchzuskribbeln, bevor man an definierte Einzelheiten geht,
- Blindzeichnung, die Einzelheiten der Form erschließen hilft. Es zeigt sich, dass in der Realität alle Formen oft sehr viel komplexer sind, als man zunächst annimmt. Das Genauhinschauzeichnen räumt pöapö mit all diesen inneren Vorurteilen und Vereinfachungen auf, nebenbei füllt sich das Erinnerungsreservoire über die Erscheinung der Dinge, was dem Zeichnenden nützt.
- Analytisches und konstrierendes Zeichnen parallel zur Beobachtung der Anatomie. Hier sind Vereinfachungen zunächst nicht nur erlaubt, sondern sogar geboten, weil die Realität atemberaubend komplizierter ist...
Am Ende jedoch sollten sich alle Herangehensweisen und Beobachtungen zu einem Bild verdichten, das nicht notwendig fotografisches Abbild sein muss, aber mit den gesammelten Informationen ein Neues, Anderes aus begründeten Annahmen schaffen kann, das nicht reinem Zufall unterliegt - was dem künstlerischen Zeichnen dienlich ist...
Die Folien der letzten Stunde bitte noch einmal daraufhin anschauen. Hier sind die diagonalen Strukturen am Schädelmodell ziemlich zutreffend markiert:
In der kommenden Stunde wiederhole ich kurz bis zu diesem Punkt, gehe noch einmal auf die Platzierung der Einzelheiten wie Auge, Mund, Nase und Ohr ein und werde demonstrieren, was im kommenden Semester weiter und vor allem tiefer und genauer erarbeitet wird:
Die dritte Dimension,
Plastizität,
Konstruktion der Einzelheiten im Zusammenhang mit Knochenbau und Muskulatur,
Mimik, Emotionen
Mimik, Emotionen
Unterschiede Mann/Frau, Jung/Alt, Ethnien.
Eines noch, das mir gestern Abend erhellend klar geworden ist:
Achtet mal darauf, mehrfach war gestern ein im Hintergrund gerauntes "ist ja viel zu groß gezeichnet" oder "ist da doch nicht" zu hören, was sich dann aber im Nachhinein im Gesamtblick auf die Zeichnung als einigermassen stimmig erwies.
D.h. hier liegt oft einer der Gründe für missglückt proportionierte Zeichnungen, dass wir meinen, unseren Augen oft nicht trauen zu können und dann auf Grundlage unseres Vorwissens (bzw. eigentlich Vorunwissens, das aber mächtig symbolisch ist) korrigieren, um uns am Ende dann aber über seltsam gnomige Gestalten zu wundern.
Dabei:
Die Ohren sind oft wirklich recht groß.
Die Augen oft sehr viel kleiner als gedacht,
die Schädelflächen groß und scheinbar leer,
die Nase gerne ein beachtliches Objekt prominenter Gestalt...
Beispiel: Der Schauspieler Christian Redel im gestrigen "Spreewaldkrimi"
D.h. hier liegt oft einer der Gründe für missglückt proportionierte Zeichnungen, dass wir meinen, unseren Augen oft nicht trauen zu können und dann auf Grundlage unseres Vorwissens (bzw. eigentlich Vorunwissens, das aber mächtig symbolisch ist) korrigieren, um uns am Ende dann aber über seltsam gnomige Gestalten zu wundern.
Dabei:
Die Ohren sind oft wirklich recht groß.
Die Augen oft sehr viel kleiner als gedacht,
die Schädelflächen groß und scheinbar leer,
die Nase gerne ein beachtliches Objekt prominenter Gestalt...
Beispiel: Der Schauspieler Christian Redel im gestrigen "Spreewaldkrimi"
Schlussendlich:
Wer es mit dem Menschenzeichnen und später sogar Porträtzeichnen ernst meinen sollte, dem empfehle ich unbedingt, sich ein Schädelmodell anzuschaffen und dieses so oft wie möglich aus allen Blickwinkeln wie gezeigt zu studieren.
Preiswerte Plastikabgüsse eines Schädels sind über die Website Skelett24.de oder über amazon.de
für unter 50 € erhältlich.Was Bücherempfehlungen anbelangt, möchte ich euch auf kommendes Semester vertrösten, da es mir ein besonderes Anliegen ist, hier eine begründete Auswahl vorzustellen. Es gibt zu viel Mist und es gibt Grossartiges in manchmal schlimmer Gestalt, wie z.B. den bereits vorgestellten Bammes (z.B. "Menschen zeichnen"), den man m.E. gerne anschaut, aber weniger gerne liest...
Ich werde euch einiges vorstellen, bis dahin übt lieber häufiger aber auch nicht mehr als das, was wir bisher erarbeitet haben ;-)