Keiner der üblichen klassischen 7 Sinne, aber gelegentlich doch wahrnehmbar vorhanden (auch wenn es mitunter da und dort Gründe gibt anzunehmen, dass er evtl. doch nicht so oft existiert ;-) )
Dieser Abend gehört zu den Wichtigsten des ganzen Kurses:
Es gilt zu lernen, auf das grosse Ganze einer Zeichnung zu achten.
Wenn man so will und in der Musikanalogie bleibt: Hier geht es um den Puls eines Bildes, also den
RHYTHMUS - ohne den Nichts ist...oder ohne den Alles nix ist...
Wir werden in einer späteren Einheit etwas genauer untersuchen, welche Gesetze die Verteilung von Hell und Dunkel oder anderer Bildelemente bestimmen könne. Jetzt aber geht es erst einmal auf einfachste Weise darum, ein Gefühl für die Aufteilung einer Zeichenfläche zu entwickeln.
Folien:
Warmups oder Lockerungsübungen:
Zum Warmweren und zur Einstimmung - Nachkritzeln einiger Helligkeitsverteilungen aus Daucher, S.24
Anhand von Verkleinerungen von Radierungen Rembrandts, der ein Meister der Helligkeitsverteilung war, kann man sich hiermit in die Denk- und Beobachtungsweise dieses Lernschrittes einüben.
Wählen Sie zunächst einmal eine Abbildung (ruhig auch auf den Kopf gestellt) aus, die Ihnen zusagt und kritzeln Sie nur die Verteilung der Flecken nach, ohne auf die Details der Erzählung zu achten.
Man kann auch gerne völlig abstrakt in hellen und dunklen Drei- und Vierecken oder Kreisen denken.
Schaut auch bewusst einmal, was genau euch an den euch unsympatischen Lösungen stört - gerade da lernt man oft am Meisten.
Ein kleiner Trick: Schaut durch die Wimpern des fast geschlossenen Auges. Mit diesem "Abblendtrick" gelingt es oft am Besten, das Hell-Dunkel-Muster zu identifizieren.
Ihr dürft gerne alle Vorlagen in jeder denkbaren Grösse nachzeichnen!
Das Werk Picassos ist für diese Übungen auch gut geeignet, da er auch ein besonders kreatives Aufteilungsgefühl besaß.
Übung zur Helligkeitsverteilung:
Wählt aus den Reproduktionen von Zeichnungen aus verschiedenen Epochen (siehe unten im Anhang) eine Arbeit aus, die euch entweder zusagt oder besonders provoziert und versucht nur kritzelnd mit dem Zeichenrepertoire, das wir in den letzten Wochen schon erarbeitet haben, den Kern der Zeichnung nachzuzeichnen.
- Achtet zuerst einmal auf das Gesamtformat und wo der betreffende Meister Akzente setzte.
- Achtet darauf, welches Verhältnis helle und dunkle Stellen haben,
- wo der Zeichner weggelassen oder durch viele Linien betont hat.
- Zeichnet nicht so sehr die Figuren, Gesichter und Details nach, sondern achtet zunächst nur auf den groben Aufbau und die Art der eingesetzten Linien (wo gibt es lange Geraden, wo kurze, staccato gesetzte Linien, wo Schwünge, wo Gebogene ?).
Diese Übungen sind nebenbei auch ein erster Kontakt mit der traditionellen Lernmethode der "KOPIE", die ich jedem Zeichenschüler unbedingt nahelege. Kopieren muss nicht immer bedeuten, exakt nachzuzeichnen, was ein alter oder neuer Meister vorlegt, sondern kann auch in einer individuellen INTERPRETATION bestehen, die sich die Vorlage mehr oder weniger frei erschliesst und dabei des Meisters Denke nachvollzieht - und man entdeckt evtl.dabei, dass die Lösungen plötzlich die Jahrhunderte übergreifen...
Ein Verfahren übrigens, das in der Musik üblich und legitim ist - weshalb nicht in der Zeichnung und Malerei?
Ich bitte, die folgenden Vorlagen auf diese Weise zu INTERPRETIEREN, mit all den Zeichenelementen, die bisher begegnet sind. Die Bilder auf den Kopf und sogar obendrein den Blick gedimmt unscharf zu stellen, kann dabei hilfreich sein.
(Bitte auf das jeweilige Bild klicken, es sollte sich eine vergrösserte und ausdruckbare Version des Bildes in einem neuen Browserfenster öffnen)
Ausgeteilte Vorlagen:
Etwas ausführlicher:
Heute bitte ich Sie, um die Zeichnung immer zuerst einen Rahmen zu zeichnen. Es mag stur erscheinen, aber meine Absicht ist es, damit bewusst zu machen, dass man mit jeder Aktion ein empfindliches Gleichgewicht von Strichen, Linien, Punkten und Flächen erstellt. Diese sind immer auf die 4 Seiten der Zeichenfläche bezogen.
Nicht umsonst heisst es, dass mit der Wahl eines bestimmten Formats schon die ersten 4 Linien eines Bildes gezogen sind.
Ihr solltet bemerken, dass das FORMAT die erste wichtige Entscheidung bei der Gestaltung einer Zeichnung ist und ein erstes, wichtiges Element des Rhythmus' - oder für alle Musikfreunde: So etwas wie der "Generalbass".
"Rhythmus" heisst diese Einheit, weil man mit jeder gezogenen Linie und mit jeder gekritzelten oder schraffierten Fläche eine Abwechslung oder einen Unterschied schafft, was sich als Abfolge von Leere und Aktion (Etwas und Nix, Hell und Dunkel, Leben und Tod, Yin und Yang usw...) darstellt, so wie ein Händeklatschen oder Fußstampfen eine zeitliche Abfolge markiert und strukturiert. In der Musik ergibt dies den "Puls" eines Stückes.
Was analog auch für die Zeichnung gilt.
In dieser ersten Annäherung an das Phänomen der Aufteilung und des visuellen Rhythmus genügen simple gekritzelte Verdichtungen und Auflockerungen, wie sie unten in der Fotokopie der Seite 24 aus Hans Daucher: "Die Grosse Zeichenschule" in der Stunde begegnet sind.
Wenn ihr euch nicht sicher seid, welche Aufteilung ihr bevorzugt oder für geeignet findet, kritzelt zur Vorbereitung einfach einmal bewusst einige der vorgestellten Lösungen nach, ihr werdet rasch merken, was irgendwie gut erscheint - oder schlicht langweilig, einfallslos und spannungsarm.
"Spannung" ist überhaupt ein wichtiges Wort in diesem Zusammenhang!
Rhythmus in der Zeichnung bedeutet in diesem ersten Schritt nur so etwas wie ein "AKZENTMUSTER" - mehr erst einmal nicht.
Sucht jetzt bitte nicht nach einer perfekten Lösung, nach einem perfekten Gesetz oder Rezept, sondern folgt dem, was ihr für richtig und angenehm haltet, sozusagen "aus dem Bauch heraus". Ihr werdet erleben, dass wir unbewusst bzw. kulturell vorgeprägt bestimmten Vorlieben folgen, die sich später auch beinahe mathematisch begründen lassen. Das muss uns jetzt allerdings nicht wirklich belasten.
Wenn es um "Blickregie" geht, d.h. darum, den Blick des Betrachters auf eine bestimmte, dramatische Stelle der Zeichnung zu lenken, die der ganzen Zeichenmühe überhaupt erst den Sinn verleiht, nutzen alle grossen Zeichner seit jeher diese Elemente der Aufteilung und Rhythmisierung des Zeichenblattes, gleichgültig nun, ob Van Dyck eine dramatische Szene um einen kosmischen Kuss webt oder der völlig abstrakte Franz Kline, der es bei der Spannung an sich belässt mit Zeichen, die nie eindeutig zu bestimmen sind - aber man kann es dennoch fühlen, dass die Sache irgendwie "sitzt", dass die Architektur aus Zeichen und Leere "stimmt".
Resultate:
(mit Klick auf das Bild erhält man ein vergrößerte Ansicht)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen