Keine Angst vor großen Räumen!
Die Landschaft ist groß und weit und voller Dinge, die nicht alle auf einmal auf das Zeichenblatt passen. Also müssen wir uns etwas einfallen lassen!
Die Geschichte der Kunst ist voller Tips und Tricks, damit umzugehen.
Im Link zum Text des Victoria&Alberts Museums in London
http://www.vam.ac.uk/content/articles/d/drawing-techniques/
sind einige vorgestellt, die aber nicht alle für das Landschaftszeichnen auf den ersten Blick nützlich sind.
Ein paar davon stelle ich heute vor:
Raum kann gezeichnet werden durch die
Staffelung / das Hintereinander der Dinge:
- Demo BIRNE: Raum im Kleinen...
Meine eigenen Birnenstudien, Federzeichnungen |
Wie sich RAUM an kleinen Dingen zeigt... |
- Schichtungen, Raum im Großen
An hintereinander angeordneten Dingen ist die Raumerfahrung ganz selbstverständlich zu machen: Was weiter vorne ist verdeckt, was dahinter ist. So simpel das ist, so wirksam kann und muß man es vor allem im großen Maßstab der Landschaftszeichnung inszenieren: Das Hintereinander von Bäumen oder Wäldern, wie ein Hügel sich vor den anderen schiebt, ein Stein hinter dem anderen liegt, eine Wolke die andere verdeckt bis zum Horizont.
Übungen dazu:
Dazu bitte die folgenden Übungen aus Daucher, Die große Zeichenschule nachzeichnen, auch gerne einmal einfach kopieren und andere Möglichkeiten des gezeigten Prinzips erfinden; das ganze Kapitel "Landschaften" ab S.133 ist überaus nützlich und wiederholenswert.
↺ Dazu gibt es eine Reload 2013:
Link zur Lektion Raum I (2013) - gerne auch die anderen Lektionen (Raum 2 und 3) zur Kenntnis nehmen:
Der Raum entsteht durch Kontrast und Intensität von Hell-Dunkel, Größen, Figur/Grund
Negativer Raum und Abstraktion von Figur und Grund:
Eine einfache Form der Räumlichkeit entsteht durch den Kontrast von Hell und Dunkel. Am deutlichsten als Schwarz-Weiß-Kontrast. Hier spricht man von „Figur und Grund“, was ziemlich leicht zu erfassen, aber vor allem sofort wirkungsvoll ist - also gut geeignet für interessante Zeichnungen!
Auch die Umkehrung kann reizvoll sein, wie sie auf der ersten Abbildung inszeniert ist und in den Stuhlzeichnungen durchgearbeitet wurde. Das klappt auch im Wald und auf der Wiese und generell überall...
Wie man in den weiteren Abbildungen erkennen kann, ist hierin ein großes Abstraktionspotential, das in der gezeigten flott gestischen Landschaftszeichnung ausgekostet wurde, in Franz Klines völlig abstrakter Arbeit radikal inszeniert und in der Fotografie Gestaltungselement wurde.
Wir werden uns in der 2.Runde des Kurses ab Januar 2021 mit diesem einfachen, aber wirkungsvollen Gestaltungsprinzip ausführlicher beschäftigen, das uns darin unterstützen wird, gute Bildkompositionen zu entwickeln. (Für alle Teilnehmer, die die früheren Grundkurse bei mir besucht haben: “Notan“ ist das Stichwort, Daumennagelskizzen als Gestaltungshilfe)
Franz Kline |
Der Raum ist eine Konstruktion, die uns mit Mathematik- und Geometrie-Kenntnissen vielleicht erst einmal einschüchtert - aber grundlos, denn wir nutzen "Tricks", die uns helfen:
Wie gestern gesagt und nur kurz demonstriert: „RAUM als Konstruktion“ wird uns eingehend zu Beginn 2021 in der 2.Runde des Kurses beschäftigen. Der dunkle, kalte Winter im Januar und Februar ist die perfekte Jahreszeit für eine eingehende Beschäftigung mit diesen nur scheinbar rein abstrakten und geistigen Dinge, für die wir da und dort aber nur eine klitzekleine, hilfreiche Prise angewandter Mathematik und Geometrie brauchen - aber keine Bange, ich werde das in kleiner Dosis und eher praktisch, mit ein paar Kniffen, Hilfsmitteln und Geduld verabreichen!
Zunächst geht es darum, das Phänomen RAUM überhaupt erst einmal wahrgenommen und vor allem im Alltag gesehen und erlebt zu haben, was augenscheinlich gar nicht so einfach ist. Obwohl wir täglich darin leben und weben, fällt uns dieses Phänomen erstaunlich selten auf - wir wären sonst bestürzt über die Wirkung fluchtend-flüchtender Linien, fallender Decken, steigender Böden und bedrängender Verkürzungen...nichts für Klaustrophobiker also...
Zum Glück kann man das aber ab jetzt schon und sofort unbeschadet in der warmen Stube daheim üben! Und vor allem, nicht Tun, sondern erst einmal nur schauen! Allerdings mit einem HILFSMITTEL. Wozu ich euch bat, eine einfache Acrylglasplatte oder einen billigen sog. Hinterglasrahmen zu besorgen, dessen durchsichtige Scheibe ihr einfach mal vor eure Augen haltet und so eure Umgebung anschaut und euch dabei etwa folgende Fragen stellt:
Wo ist der Übergang von Decke und Wänden zu sehen und wie verläuft diese Linie? Wie sieht es aus, wenn ihr im Flur steht, wo gehendie Fußleisten entlang und wo enden sie? Sehe ich überhaupt irgendwo einen Horizont? Und wenn nein - was daheim wahrscheinlich ist - wo könnte er sein? Was ist denn überhaupt meine Augenhöhe und wo liegt, steht oder sitzt sie denn genau? Wo schneiden sich eigentlich die Linien der Decke und des Bodens? Wie eine frühere Schülerin so herrlich sagte: Irgendwo weit hinter Nagold schneiden sie sich.... - Aber wozu muss ich denn all das wissen beim Zeichnen?
Übung:
Was ihr dazu braucht, ist eine etwa A4 große Acrylglasscheibe (Glas geht auch, ist aber zerbrechlich und deshalb problematisch) und ein sog. Whiteboardmarker, der sich wieder abwischen läßt!
Bitte auf keinen Fall einen der üblichen Permanent- Filzmarker (Sharpie oder edding) benutzen - ihr ruiniert damit die Platte!
Zeichnet also mit einem abwischbaren sog. Whiteboardmarker eure Beobachtungen direkt auf die in den Blick gehaltene Acrylplatte, indem ihr versucht, diese stabil zu halten und beim direkten Nach-Zeichnen der Raumlinien (bitte mit ganz einfachen Markierungen und ohne feine Details) nur mit einem Auge schaut, das andere also zukneift.
Die entstehende Zeichnung auf der Acryl-Glasplatte könnt ihr dann auf ein Blatt Papier legen und staunen, wie ein Raumeindruck entsteht. Diese Konstruktion zeichnet ihr so einfach wie möglich nach und macht daraus nach Lust und Laune eine erste Innenraum-Urban-Sketch! Und dann weitere...
Früher nannte sich das Genre: INTERIEUR, was eine Art Innenraum-Architekturzeichnung ist oder je nach Lust, Liebe und Können das wunderbare Thema der Innenraumbetrachtung, konkret oder metaphorisch - ein komplexes oder erweitertes Thema der Stilleben-Zeichnung, das es oft auch wunderbar in poetisch gibt, was schön ist (Da hör ich den Song "In my Room" von Brian Wilson/Beach Boys - wäre ein Thema, oder nicht, oder wohl oder doch?)
A.v.Menzel, Das Balkonzimmer 1845 |
Menzel, Schlafzimmer des Künstlers |
Zu den obigen Gemälden des von mir vor allem als Zeichner (und frühen "Urban Sketcher": Berliner Alltag war sein Ding in hunderten Skizzen) sehr geschätzten Adolf von Menzel gibt es eine ziemlich schulisch streng vermittelte klassische Schulstunde zu Perspektive - an der aber nichts falsch ist. Beides lohnt sich zu lesen:
Wir werden in Runde 2 ähnliche Themen, vielleicht nicht ganz so streng behandeln...
DEMO Acrylglasplatte:
Zur Vorbereitung für die 2.Runde in 2021 bitte ich euch, den Text des Victoria&Alberts Museum über „Perspektive“ gelesen zu haben!
Das Konstruktionsproblem des Raumes wurde erst wieder ab der Renaissance erst wirklich bewußt, als die Darstellung des urbanen Raums Thema der Malerei wurde und dessen Geometrie den Malern bewußt wurde (siehe Text V&A Museum).
Birth of Perspective |
Fast dimensionslose Zeichnung, auf den ersten Blick ohne Größenortung |
Sobald einem aber die winzigen Menschen darin auffallen, werden die Bäume riesig und die Welt weit! |
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